Viral präformierte Nanodrähte und -röhren: vom Nanomanipulator zum Array

Helikal zu definierten Nanozylindern assemblierte Hüllproteine des strukturell hervorragend charakterisierten und für Warmblüter nicht pathogenen Tabakmosaikvirus (TMV) werden als Biotemplate zur Synthese, Anordnung und Analyse anorganischer Nanodrähte und -röhren genutzt. Mit neuartigen Syntheseverfahren produzierte Struktu­ren werden Durchmesser zwischen 3 und 30 nm und unterschiedliche, physikalisch interessante Eigenschaften besitzen (z.B. bei Metallen und Oxiden starke Anisotropie magnetischer Momente, bei II/VI-Halbleitern wie Sulfiden und Telluriden Photo-/Elektrolumineszenz und Eignung als Lasermaterial). Die hohe Stabilität der Template erlaubt Synthesen in nichtwässrigen Systemen, die mit Blick auf eine scharfe Größenverteilung optimiert werden (z.B. dünnwandige Röhren definierter Länge).

Als Ausgangspunkt und zum Erzeugen komplexerer dreidimensionaler Strukturen dienen molekularbiologisch synthetisierte TMV-Hüllproteine mit gezielten Aminosäureaustauschen, welche die Ladungen der inneren, äußeren und Endflächen der Biotemplate und damit deren chemische Reaktivität ändern. Durch bio- und kolloidchemisch gesteuerte Selbstassemblierung entstehen Proteinzylinder mit 18 nm Außen- und 4 nm Innendurch­messer (Länge 4 nm bis über 5 µm). Vorversuche haben gezeigt, dass Hefe-Flüssigkulturen erfolgversprechende »Proteinfabriken« sind, um TMV-Bausteine auch pflanzenunabhängig zu erzeugen. Während der Proteinsynthese in der Hefe produzierte spezifische RNA-Moleküle sollen bereits in den Zellen die Länge der Proteinzylinder bestimmen. Gereinigte Virusbausteine können unter Einsatz immobilisierter Starter- und Längensteuerungs-RNA aber auch direkt an interessanten Zielstellen »bottom up« zu Röhrchen wachsen. Dabei wird auch versucht, eine Assemblierung in Löchern von Durchmessern unter 50 nm zu erreichen (in »Track-etch«-Membranen), so dass vertikal angeordnete Röhren entstehen. Mischpolymerisate verschiedenartiger Hüllproteine führen zu Zylindern mit Ladungsgradienten.

Um die Zugänglichkeit der Strukturen für physikalische (bes. kontaktlose) Messverfahren um Größenordnungen zu verbessern, werden Biotemplate und/oder Reaktionsprodukte durch mechanische Kräfte einschließlich Mikrokontaktdruck, durch flüssigkristallbildende Moleküle sowie durch elektrische Wechselfelder (Dielektrophorese) geordnet und ausgerichtet. Dies soll auch zu einer technischen Nutzung als Sensorarray führen. Darüber hinaus weisen die einzelnen bioanorganischen Hybridnadeln eine für Biologie und Medizin höchst interessante Größenordnung unterhalb des Durchmessers von Zellkernen und anderen Zellorganellen auf und sollen daher auf ihre Eignung als physikalisch orientierbare Nanomanipulatoren geprüft werden.