Projektbereich B: Elektronische Eigenschaften von Nanostrukturen

Die Untersuchung des Transports von Ladungsträgern durch Nanostrukturen gehört zu den wichtigsten Teilgebieten der Nanostrukturphysik. Einerseits verlangt die Anwendung zunehmend kleiner werdender elektronischer Bauteile bereits in naher Zukunft die Einbeziehung größenabhängiger Effekte in das Design primärer Komponenten. Andererseits werden im Bereich der Grundlagenforschung derzeit mit hoher Präzision Sub-Nanometer-Strukturen hergestellt und kontaktiert und das Verhalten von Ladungsträgern unter diesen Randbedingungen untersucht. Das zentrale Ziel der Forschungsarbeiten im Projektbereich B ist es, das Transportverhalten dieser Strukturen zu verstehen und mittels neuer Strukturierungstechniken und äußerer Parameter, z.B. durch Lichteinstrahlung oder die Konstruktion von Resonatoren zu beeinflussen. Im Rahmen des Projektbereichs B werden nicht nur Methoden entwickelt und verfeinert, die es erlauben Nanostrukturen mit atomarer und molekularer Präzision zu präparieren, sondern auch solche Strukturen zu erzeugen, deren zentrale Einheit nur aus einzelnen Atomen bzw. Molekülen besteht. Bei diesen Systemgrößen vereinigen sich auf natürliche Weise Aspekte der synthetischen Chemie, Quantenchemie, der Elektrochemie, der experimentellen Physik und der theoretischen Physik.

Bereits jetzt besteht ein Großteil der diskutierten Funktionen und Anwendungen von Nanostrukturen auf der Zusammensetzung dieser Strukturen aus einzelnen Komponenten, die zu einer korrekten Beschreibung nicht für sich allein betrachtet werden können, z.B. ein Quantenpunkt und seine Zuleitung.

Für isolierte Nanostrukturen sind Beschreibungskonzepte der Theoretischen Physik größtenteils erstellt, nicht jedoch für zusammengesetzte Systeme, wie sie bei Transport­experimenten stets vorliegen. Eine Weiterentwicklung dieser Konzepte für realistische Anwendungen ist daher unabdingbar. Dies betrifft zum Beispiel Nanosysteme bestehend aus Metallen und Molekülen oder aus Supraleitern in Kombination mit Nicht-Supraleitern sowie Strukturen, deren Eigenschaften von der Anordnung eines einzelnen Moleküls bzw. Atoms abhängen. Trotzdem gibt es gerade in diesen Gebieten eine Vielzahl möglicher Anwendungen, die auf den intrinsischen Eigenschaften der Systembestandteile sowie der Kombination zweier Nanostrukturen zu einem Nanosystem beruhen. Dies bildet den Ausgangspunkt für das Spektrum der in diesem Projektbereich vertretenen Forschungsaktivitäten. Sie erstrecken sich über die ganze Bandbreite von der Bearbeitung zentraler grundlegender Aspekte bis hin zu konkreten Anwendungen.

Die umfangreichen Forschungsaktivitäten auf dem Gebiet der Nanoelektronik werden wesentlich getrieben durch das Ziel, die grundlegend neuen Konzepte, die auf der ultimativen Miniaturisierungsskala zum Tragen kommen, in logischen Schaltelementen zum Einsatz zu bringen. Ganz allgemein zeichnen sich Nanosysteme oft durch stark nichtlineare Transporteigenschaften aus, die wiederum den Ansatzpunkt für Speicher- oder Schaltfunktionen darstellen. Zu den Grundelementen der digitalen Elektronik gehören dabei Zwei-Elektroden-Devices (z.B. Dioden, Kondensatoren, Speicher) sowie Drei-Elektroden-Devices (z.B. Transistoren). Bei erstgenannten wird die Funktion durch geeignetes Ansteuern einer der beiden Kontakte erreicht. Dabei kann das System z.B. durch einen Spannungspuls in einen wohldefinierten Zustand präpariert werden. Bei letzteren wird ein Steuersignal, angelegt an einen der drei Kontakte, dazu verwendet, den Strom durch die beiden anderen zu steuern. Schaltbare Drei-Elektroden-Devices in der Form von Transistoren stellen die Basis für logische Schaltungen und damit letztlich für unsere gesamte Computer- und Informationstechnologie dar. Die Herstellung solcher aktiv schaltbarer Devices auf der atomaren und molekularen Skala stellt eine zentrale technologische Herausforderung dar.

Die Projekte B1, B3 und B4 beschäftigen sich sowohl experimentell als auch theoretisch mit den Transporteigenschaften von Nanosystemen, deren funktionelle Einheit aus einem oder wenigen Atomen einer Spezies bestehen. In Projekt B2, B5 und B6 wird hingegen der Transport durch einzelne Moleküle bzw. einzelne Halbleiterquantendots untersucht.

In Projekt B1 soll der unlängst von Mitgliedern des Kompetenznetzes entwickelte weltweit erste Transistor auf atomarer Skala sowohl experimentell als auch theoretisch weiter untersucht werden. Hierbei wird durch ein elektrochemisches Steuersignal die Kontaktgeometrie beeinflusst. Ein elektrischer Strom wird geschaltet durch die kon­trollierte Bewegung einzelner Atome. Der bei Raumtemperatur operierende Transistor erreicht eine beachtliche Reproduzierbarkeit und Präzision, der zu Grunde liegende Mechanismus ist jedoch noch nicht im Detail verstanden. Ebenfalls elektrochemisch hergestellte Quantenpunktkontakte auf atomarer Skala werden in Projekt B4 untersucht, jedoch soll hier herausgefunden werden, inwieweit der Transport durch diese Kontakte durch Lichtpulse beeinflusst werden kann. Die geplanten Untersuchungen schließen an die Beobachtung eines starken photonen-unterstützten Transports in „trockenen“, also nicht elektrochemisch hergestellten atomaren Metallkontakten an, die von einem Teil der Antragsteller gemacht wurde. Dieser Effekt ist für optoelektronische Anwendungen interessant, wie sie auch in Projekt B2 vorgeschlagen werden. Projekt B2 hat zum Ziel, optisch und elektronisch interessante Moleküle zu synthetisieren und mit komplementären Methoden elektrisch zu charakterisieren. Besonderes Interesse liegt dabei auf Molekülen, deren Transportverhalten durch elektrische Felder oder Lichteinfluss signifikant beeinflusst, also z.B. zwischen zwei Zuständen geschaltet werden kann.

Außer optischen Anregungen sind auch Schwingungsanregungen für die Transporteigenschaften von Nanostrukturen relevant, da diese spezifisch für den jeweiligen Kontakt bzw. für das den Transport bestimmende Nanoobjekt sein können. Obwohl inelastische Tunnelspektroskopie und Punktkontaktspektroskopie an größeren Kontakten wohlentwickelte Methoden sind, ist von theoretischer Seite noch nicht viel über die Ankopplung der den Transport tragenden elektronischen Moden an die Schwingungsmoden in Ein-Atom- oder Ein-Molekül-Kontakten bekannt. Dies soll in Projekt B3 in einer Kooperation aus Theorie und Experiment studiert werden. Ein weiterer Aspekt, der in Projekt B3 von Bedeutung ist, ist der Übergang zwischen Quantenpunktkontakten aus Metallen und aus Halbleitern, die mit unterschiedlichen Konzepten behandelt werden.

Mit den gleichen Methoden, mit denen atomare Kontakte aus Metallen hergestellt werden, lassen sich auch Halbmetallkontakte realisieren. Die intrinsischen Längen­skalen von Halbmetallen ähneln jedoch denen von Halbleitern. Eine Erweiterung der theoretischen Modelle des Transport durch atomare Kontakte auf Halbmetalle ist deshalb sowohl von grundlagenphysikalischer Seite als auch für Anwendungen von großer Bedeutung, weil damit das Spektrum der beschreibbaren Systeme deutlich erweitert werden kann.

In Projekt B5 wird vorgeschlagen, außer dem elektrischen Strom auch höhere Kumulanten des Stroms, also z.B. das Rauschen zu untersucht. Einige elektronische Wechselwirkungseffekte haben auf den Strom einen geringen Einfluss, zeigen sich aber deutlich im Rauschen eines nanoelektronischen Elements. Die Untersuchung des Rauschens ist also einerseits wichtig für das Verständnis der Transportmechanismen, andererseits kann es als lokales Messsignal z.B. für die lokale Temperatur im Device dienen. Diese Aspekte sollen in Hybridsystemen aus Supraleitern und verschiedenen Nicht-Supraleitern (Metalle, Moleküle, Quantendots) studiert werden. Die in Projekt B5 angestellten sowohl modellbasierten als auch numerischen Untersuchungen, können direkt mit den Befunden aus den Projekten B1B4 und B6 verglichen werden. Projekt B5 stellt damit auch eine Brücke dar zwischen den Projekten B1B4, in denen einzelne Atome oder Moleküle in normalleitender Umgebung untersucht werden und den Projekten B6B8, in denen Systeme bestehend aus Supraleitern und Halbleiterquantendots oder Ferromagneten untersucht werden.

In Projekt B6 werden Konzepte der Quantenoptik – nämlich das resonante Ankoppeln von Feldern an Quantensysteme in einem festkörperbasierten System angewendet. Das Feld – in der Quantenoptik üblicherweise ein Laserfeld – wird hier durch die Moden eines supraleitenden Resonators gegeben. Das Quantensystem – in der Quantenoptik zumeist einzelne Atome – sind hier Halbleiterquantendots mit wohldefinierten Niveaus, sogenannte künstliche Atome. In diesem System lassen sich, ebenso wie in den in Projekt B7 untersuchten Supraleiter-Ferromagnet-Strukturen, verschränkte Elektronenzustände erzeugen. Während in der Quantenoptik die Ankopplung des Feldes an die Moden des Nanosystems zumeist schwach ist, kann sie hier sehr stark werden, was neuartige Phänomene erwarten lässt. Projekt B6 hat dadurch auch starken Überlapp zu Projekten aus Bereich C, z.B. zu Projekt C4, in dem Defektzustände in Diamant-Nanostrukturen für quantenelektronische Anwendungen studiert werden.

Die ausgeprägten Nichtlinearitäten im Transport durch Supraleiter-Hybrid-Strukturen stehen außerdem im Zentrum der Projekte B7 und B8. In Projekt B7 wird insbesondere der Einfluss der Grenzflächen zwischen Supraleitern und Ferromagneten auf den Transport untersucht. Durch diese Studien kann der Spin-Misch-Winkel bestimmt werden, der für Anwendungen in der Magnetoelektronik von zentraler Bedeutung ist. Dieser Spin-Misch-Winkel beschreibt, inwieweit Spinkorrelation, die in der Spintronic zur Signalübertragung verwendet werden, über Grenzflächen übertragen werden können. Der Effekt wird hier an Grenzflächen zwischen Normalleitern und Supraleitern studiert, da es dabei klare spektroskopische Signaturen gibt. Er tritt ebenso an Grenzflächen zwischen Ferromagneten und Normalleitern oder Halbleitern, wie sie in Projektbereich C untersucht werden auf.

Die wohl prominentesten für den Transport relevanten langreichweitigen elektronischen Wechselwirkungen in Festkörpern sind die Supraleitung und der Magnetismus. Die relevanten Längenskalen für diese beiden Ordnungstypen sind jedoch verschieden, so dass je nach Dimensionalität und Abmessungen einer Hybridnanostruktur bestehend aus Supraleiter und Ferromagnet die eine oder die andere Längenskala dominieren kann. Für Anwendungen wird diese Konkurrenz dadurch interessant, dass beide Grundzustände energetisch benachbart sein können und zwischen diesen durch einen Kontrollparameter möglicherweise gewechselt werden kann. Diese Fragestellung ist Gegenstand von Projekt B8, in dem sowohl lokale spektroskopische Untersuchungen als auch globale Charakterisierungsmethoden zur Untersuchung der vorherrschenden Ordnung zum Einsatz kommen sollen. Die Projekte B6B8 stehen in engem thematischem Bezug zu Projektbereich C, in dem die magnetischen und optischen Eigenschaften von funktionellen Nanosystemen studiert werden.

Der Kreis wird geschlossen durch Projekt B9, das methodisch wie inhaltlich an die Projekte B1 und B4 sowie an den Projektbereich A anschließt. In diesem Projekt soll der Ladungsaustausch an den Oberflächen nanoporöser Materialien untersucht werden. In den vorangehenden Perioden des Kompetenznetzes wurden neuartige elektrochemisch gesteuerte Aktuatoren basierend auf nanoporösen Materialien studiert, wobei der zugrundeliegende Prozess möglicherweise ähnlichen Mechanismen folgt wie der Schaltprozess bei den elektrochemisch hergestellten Ein-Atom-Transistoren aus B1 und bis heute nicht vollständig verstanden ist. Dies soll nun in Projekt B9 durch eine enge Kooperation von Ingenieurwissenschaften, Physik und Chemie erreicht werden. Elektrochemische Strukturierung bzw. Steuerung von Strukturierungsprozessen ist ebenfalls eine vielfältig und erfolgreich eingesetzte Methode in den Projekten A1A4 und bildet damit eine methodische Brücke zu Projektbereich A.